Nennstrom von RCCBs (Nennstrom als Grenzstrom und Vorsicherungs- bzw. Betriebstromfestigkeit)

Diskutiere Nennstrom von RCCBs (Nennstrom als Grenzstrom und Vorsicherungs- bzw. Betriebstromfestigkeit) im Grundlagen der Elektroinstallation Forum im Bereich ELEKTROINSTALLATION; Weil die Frage in Deutschland irgendwie immer wieder aufkommt, mein Verständnis der Sachlage. Ich bin jetzt auch im Forum immer und immer wieder...

  1. #1 BrunoKreisky, 08.06.2020
    Zuletzt bearbeitet: 08.06.2020
    BrunoKreisky

    BrunoKreisky Leitungssucher

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    Weil die Frage in Deutschland irgendwie immer wieder aufkommt, mein Verständnis der Sachlage. Ich bin jetzt auch im Forum immer und immer wieder drauf gestoßen in verschiedenen Threads, daher ein eigener Thread falls es wen interessiert. Vielleicht hat der eine oder andere ja Einwürfe dazu oder mein Wissen ist teilweise veraltet oder ungenau und ich seh das zu eng oder falsch, dann korrigiert mich bitte!

    Nur vorweg zur Klarstellung der Terminologie: Der RCCB ist der klassische "FI-Schutzschalter" ohne eigenen thermischen Überlastschutz. Andere RCDs wie z.B. die RCBOs, also "FI/LS-Schalter", betrifft das Problem ggf. prinzipbedingt nicht.

    *** Wichtige Ergänzung: In der DIN/VDE 0100 Teil 430, Abschnitt 5 wird für RCCBs (vereinfacht gesagt) gefordert, dass sie mit ihrem Nennstrom abgesichert werden können. Geräte mit VDE-Zeichen müssen also vorsicherungsfest sein, auch wenn das Datenblatt keine ausdrücklichen Vorgaben zur Absicherung macht.

    Für Fabrikate, die lediglich über das Prüfzeichen eines oder mehrerer anderer europäischer Verbände verfügen, wird das wohl häufig nicht gewährleistet. Ich habe den Beitrag entsprechend ergänzt. Danke an die Forenteilnehmer für entsprechende Hinweise.


    TL;DR:
    Code:
    Für nicht ausdrücklich vom Hersteller oder
    normativ (VDE-Zeichen) als vorsicherungsfest /
    betriebstromfest deklarierte RCCBs (FI-
    Schutzschalter) gilt:
    
    RCCB-Nennstrom | Erforderliche Absicherung (LSS bzw. gG-Schmelzsicherung)
    -------------------------------------------------------------------------
    25A | 16A
    40A | 25A
    63A | 40A
    
    Bei Absicherung durch unmittelbar nachfolgende Sicherungselemente muss grundsätzlich
    jede Phase getrennt berechnet werden. Die Summe der Nennströme der
    entsprechenden Sicherungselemente der jeweiligen Phase darf die jeweils
    erforderliche Absicherung nicht überschreiten.
    Erklärung:

    Ich hatte vor vielen Jahren gelernt, dass die Angabe des Nennstroms auf RCCBs, wenn nicht anders ausgewiesen, immer der Grenzstrom ist, den das Gerät dauerhaft aushält. Das hängt damit zusammen, dass RCCBs oft nachgerüstet werden und man da mitunter auf wilde Situationen trifft. Unterschiedliche Sicherungssysteme vor und nach dem RCCB mit teilweise unterschiedlicher Angabe der Betriebsklassen, Nennströme und Überlastcharakteristik sind insbesondere wenn vorhandene alte Geräte mit veralteten Charakteristika berücksichtigt werden müssen nicht ungewöhnlich.

    Daher haben die Hersteller ihre Nennstrom-Abstufungen unabhängig von den üblichen Sicherungssystemen gewählt und in ihrer Bedeutung einer Grenzstromangabe entsprechend vorgenommen. Für den Ganzbereichsschutz (BK gG und davon teilweise abgeleitet zum Beispiel die Charakteristika moderner Leitungsschutzschalter) bedeutet das: Ein nicht anderweitig deklarierter RCCB mit einem Nennstrom von 25A passt zur thermischen Überlastcharakteristik von 16A gG, 40A passt zu 25A gG und 63A passt zu 40A gG.

    Mittlerweile bieten zahlreiche Hersteller Geräte mit einem zusätzlichen Vermerk an, z.B. Vorsicherungsfest oder Betriebstromfest, um darauf zu verweisen, dass Vorsicherungen der üblichen Betriebsklassen und Charakteristika dem angegebenen Nennstrom entsprechen dürfen, die Geräte also effektiv einen höheren Grenzstrom haben und der Nennstrom des RCCB dem Nennstrom des Sicherungselements entsprechend ist.

    In Deutschland ist übrigens eine Schutzlücke beim Einsatz von RCCBs bei häuslichen Installationen üblich. So ist es nicht ungewöhnlich, dass ein 40A RCCB durch einen SLS/SHU E35 vor thermischer Überlast geschützt wird. Dieser lässt aber (verhältnismäßig genau, wie meine Erfahrung mit SLS gezeigt hat) eine längerfristige Überschreitung auf bis zu 42A zu. Es gibt hier also eine Lücke im thermischen Überlastschutz für den Bereich 40A - 42A. Ähnlich verhält es sich, wenn über die nachfolgenden Sicherungsorgane der thermische Überlastschutz sichergestellt werden soll: LSS mit B-Charakteristik erlauben einen dauerhaften Überstrom vom bis zu 1,45-fachen des Nennstromes. Ist also die Summe der LSS je Phase kleiner als der Nennstrom des RCCB, gibt es auch hier eine Schutzlücke. Noch größer wird die Schutzlücke, wenn über 35A gG abgesichert wird, dann erstreckt sich die Schutzlücke im Extremfall sogar von 40A bis 52A.

    Im häuslichen Umfeld spielt diese Schutzlücke zum Glück praktisch meist keine Rolle. Um den RCCB aus unserem SLS-Beispiel zu überlasten, müsste man es schaffen, über längere Zeit eine symmetrische Belastung in den nachfolgenden Stromkreisen aufzubauen, die größer als 40A ist aber kleiner/gleich 42A. Das gelingt einem selbst wenn man es absichtlich drauf anlegt nur schwer mit den üblicherweise vorhandenen Verbrauchern und der Aufteilung der Stromkreise. Ist die Überlastung nur einphasig, ist eine thermische Überlastung des RCCBs noch schwieriger, da die Gesamtverlustleistung, die im Gerät anfällt, geringer ist, was die Wahrscheinlichkeit der thermischen Überlastung weiter reduziert.


    Anders sieht es im gewerblichen und industriellen Umfeld aus. Wenn da einer einen Stromkreis z.B. mit 32A haben will, muss man fest davon ausgehen, dass er diesen auch den lieben langen Tag so auslasten und bei Erweiterung oder Ersatz von Maschinen dann vielleicht auch bis zum äußersten ausreizen wird. Hier wird eine Schutzlücke also tatsächlich zum Problem.

    Ähnlich verhält es sich ja auch bei der Kabelhäufung, die in privaten Haushalten inkorrekterweise sehr oft, aber meist ohne Folgen, völlig außer Acht gelassen wird. Das Nutzungsprofil und die vorhandenen Verbraucher machen hier ein Eintreten des Belastungsbereichs der Schutzlücke meist sehr unwahrscheinlich.

    Fazit:

    Die Nennstromangabe auf RCCBs darf als Wert für die Vorsicherung bzw. Absicherung durch unmittelbar nachfolgende Sicherungselemente herangezogen werden, wenn dies normativ gewährleistet wird (z.B. VDE-Zeichen) oder der Hersteller dies ausdrücklich angibt (Vorsicherungsfest / Betriebstromfest / etc.). Anderenfalls ist der Wert als Grenzstrom zu sehen und die Charakteristik der entsprechenden Sicherungselemente muss miteinberechnet werden. Das bedeutet für diese Fälle: 25A RCCB --> max. 16A gG, 40A RCCB --> max. 25A gG, 63A RCCB --> max. 40A gG.
     
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    Hallo zusammen

    Da wir zwei in diesem Thread...

    https://www.elektrikforen.de/threads/fragen-ueber-absicherungen.24850/#post-196963

    bereits diskutiert haben, würde mich dieses Thema auch brennend interessieren. Wie im verlinkten Thread hab ich von einem renommierten Hersteller ja die Info erhalten, dass 80% des aufgedruckten Wertes In (Bemessungsstromstärke) dauerhaft geführt werden kann.

    Jetzt haben wir zwei unterschiedliche Werte. Und den Hinweis eines Herstellers, es gäbe eine Norm/Vorschrift darüber, was RCD's können müssen, und was nicht. Dazu die Toleranz von SLS und Schmelzsicherungen... Alles nicht ganz so einfach...

    Aus meiner Praxis heraus bin ich mit einer Sicherungsgröße kleiner als der nachfolgende RCD immer gut gefahren - und gebrannt hat bisher auch noch nichts :wink:

    Hoffe es meldet sich einer, der mit dem VDE-Regelwerk gut bewandert ist...

    Gruss G-Tech
     
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  4. #3 BrunoKreisky, 08.06.2020
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    Erstmal entschuldigung für die Themenzersplitterung, aber die Frage war mir zu allgemein, als das ich sie in einer sehr spezifischen Installationsfrage gut aufgehoben sehe...

    In der Antwort drüben habe ich noch auf eine einschlägige Fachinformation verwiesen, das möchte ich hier nachholen: Website des KfE bei den Fachinformationen unter dem Titel "Überblick über die Anwendung von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen in Niederspannungsanlagen gemäß den in Österreich geltenden anerkannten Regeln der Technik" (da sind auch die Tabellen mit den RCD-Nennströmen)
     
  5. gert

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    Mal so am Rande erwähnt:

    Schaltgeräte wie z.B. RCD, die eigentlich nie schalten, haben nach meiner Erfahrung genausogute Kontakte, wie ein Schütz, das täglich hundertemale schaltet.

    Beim RCD ist der Kontakt immer " wie neu", beim Schütz, das täglich vielfach schaltet, nach Jahren aber auch noch "ok".

    Gruß Gert
     
  6. G-Tech

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    So, Nachtrag...

    Bei deiner Quelle...

    https://kfe.at/technische-informati...ion-fehlerstrom-schutzeinrichtungen/file.html

    ... auf Seite 5 unten heißt es:


    '"Fehlt die Angabe des höchstzulässigen Nennstromes der Überlast-Schutzeinrichtung in den Angaben des Herstellers der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung, dann gilt der Nennstrom der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung IN als deren dauernd zulässiger Überstrom IZ, d. h. (IN = IZ).

    Auf deutsch: Macht der RCD Hersteller keine Angaben zum höchstzulässigen Nennstrom, gilt der Nennstrom der auf dem RCD angegeben ist als höchstzulässiger Nennstrom.

    Und zu Seite 6 der Quelle:

    Die gilt für Schmelzsicherungen der Klasse gL.

    Anmerkung: Die verlinkte Seite betrifft österreichische Regelungen und Normen. Bedeutet, dass die Elektronen unterschiedliche Verkehrszeichen beim Fließen beachten müssen - man darf nicht in jedem Land alles wie Zuhause :wink:

    Gruss G-Tech

    @gert
    Das mit den Kontakten mag ja so sein, aber hier geht es doch um die Vorsicherung der RCD's, bzw. die Sicherung in der Zuleitung vor einem RCD. Und ob man dem glauben schenken kann, was der Hersteller so drauf druckt! :Hammer:
     
  7. gert

    gert Freiluftschalter

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    Ich glaube, ihr peilt das nicht.
    es geht darum, was ein Schütz oder RCD abzuschalten vermag!

    Beim Abschalten, und nur beim Abschalten, ensteht ein Kontakt - Abbrand und ggf. ein Lichtbogen in der Abschaltkammer.

    Gruß Gert
     
  8. #7 BrunoKreisky, 08.06.2020
    Zuletzt bearbeitet: 08.06.2020
    BrunoKreisky

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    Da wird auch nicht der Kontakt das Problem sein, sondern der Querschnitt der Wandlerwicklung am Kern, wo der Hersteller vermutlich nur so viel Kupfer verwendet wie zwingend nötig und insbesondere bei kompakter Bauform früher der Platz ein Thema war, denke ich Mal.

    Und diese Wandlerwicklung, die anhand des höchstzulässigen Betriebsstroms ausgelegt wird, ist gegen thermische Überlast zu schützen. Und das ist nicht so einfach wie bei einem Stück Draht.

    Es ging - zumindest bisher - nicht um das Schaltvermögen, das liegt nämlich meistens wie beim LSS bei 6 oder 10kA in dem Bereich. Oder habe ich was falsch verstanden?

    ...und drunter dann die Tabelle, was das dann in puncto Absicherung bedeutet. Eben 63A RCD: 40A Schmelzsicherung

    Ja ja, ich bin Kind zweier Welten. Und vergiss nicht: in Wien bringt Dich der Strom mit 10% mehr Gemütlichkeit um. Nicht so hektisch wie hierzulande...

    Hier war ich anfangs überrascht, dass sowas wie klassische Nullung überhaupt jemals zulässig war und eine Freileitung mit TN-System und ähnliche Todesfallen normgerecht möglich waren. In Österreich gab's sowas glaube ich nur in Salzburg und auch das nicht lange.

    Umgekehrt lobe ich mir die allgemein sehr gründliche Normung in Deutschland. Die schießt zwar manchmal übers Ziel hinaus ist aber alles in allem ein sehr guter Weg.

    Aber am Ende kommt ja eh in beiden Ländern das gleiche Material mit insgesamt meist gleichen Normen für Strom aus dem gemeinsamen europäischen Netz zum Einsatz. Da ist der Unterschied zum ostdeutschen TGL-Bestand mit seinen 16A abgesicherten klassisch genullten (gut, das ist da auch regional unterschiedlich war aber wegen Materialmangel verbreitet) mit 2,5mm² Aluleitern normgerecht angeschlossenen Steckdosen schon ein wenig härter.

    Nachtrag: Die Kennlinien von gG und gL sind doch nahezu identisch - oder habe ich das falsch in Erinnerung?
     
  9. gert

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    Ich glaube, die oben angefühtre Tabelle TL;DR: entspringt Deiner Vorstellung, hat also keine Aussagekraft.

    Gruß Gert
     
  10. #9 BrunoKreisky, 08.06.2020
    BrunoKreisky

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    Gut begründete Quelle meiner Vorstellungskraft, so vor gut 20 Jahren noch in anderer Papierform gelernt: Siehe Link von G-Tech, Tabelle auf Seite 6.
     
  11. ego

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    Warum machen sich die Leute bei diesem Thema eigentlich immer über den FI soviele Gedanken?
    Jedes andere Bauteil wird aber stumpf mit dem aufgedruckten Nennstrom vorgesichert, obwohl das "Problem" dort haargenau das gleiche ist, nur der arme FI verträgt das auf einmal nicht, siehe Geräte von Eaton, sobald sie sich auf Östereichichem Staatsgebiet befinden!
     
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